Umgang mit Allergien in Küchen und Kantinen der Gemeinschaftsverpflegung
Allergien sind auf dem Vormarsch. Neben Pollen,- Tierhaar- und Hausstaubmilbenallergie steigt auch die Anzahl der Lebensmittelallergiker. Derzeit haben ca. 3,7% der Erwachsenen in Deutschland eine Lebensmittelallergie. Das entspricht umgerechnet fast 2,5 Millionen Erwachsenen. Die Häufigkeit bei den Kindern liegt bei 4,2%. Auch wenn Lebensmittelallergien mit schweren Symptomen verbunden sein können, möchten und müssen Allergiker in Küchen und Kantinen versorgt werden. Mit einem guten Verständnis für Allergien in der Gemeinschaftsverpflegung von allen Beteiligten ist dies definitiv möglich.
Ein Gastbeitrag von Dr. Yvonne Braun.
Wissen über Nahrungsmittelallergien ist hierfür notwendig
Die häufigste Nahrungsmittelallergie macht sich durch ein Kribbeln im Mund und Rachenraum nach dem Verzehr des Allergieauslösers bemerkbar. Von dieser Art der Allergie sind viele Birkenpollenallergiker betroffen. Aufgrund der Pollenallergie kommt es zu Symptomen, meist nach Verzehr von Haselnuss, Walnuss, rohen Äpfeln oder rohen Karotten.
Die Reaktion ist in der Regel harmlos und verschwindet schnell wieder. Demgegenüber gibt es jedoch auch eine andere Art der Lebensmittelallergie: die Betroffenen haben keine Pollenallergie und die Symptome sind deutlich gravierender. Nach Verzehr des Auslösers erfolgen Hautreaktionen, Erbrechen, Kreislauf- oder Atemprobleme, welche sogar lebensbedrohlich werden können. Deswegen tragen diese Allergiker immer Soforthilfemedikation, ein sogenanntes Notfallset bei sich. Aber auch diese Betroffenen dürfen in der Gemeinschaftsverpflegung essen.
14 deklarierungspflichtige Allergene
Lebensmittel, die solch starke Symptomatiken auslösen können, sind Bestandteil der 14 deklarierungspflichtigen Allergene. Mit der neuen Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) aus 2014 ist die Allergenkennzeichnung auch in der Gemeinschaftsverpflegung Pflicht. Die häufigsten Auslöser von Allergien und Unverträglichkeiten müssen bei unverpackter Ware stets angegeben werden. Die Information kann schriftlich, elektronisch oder mündlich erfolgen. Wobei auch bei mündlicher Information eine schriftliche Dokumentation für den Verbraucher leicht zugänglich sein muss.
Hier erfahren Sie mehr über LMIV und die Kennzeichnung der Allergene.
Allergien in der Gemeinschaftsverpflegung – LMIV
In der Regel wird dies in der Gemeinschaftsverpflegung über Allergenspeisekarten oder über die Allergenkennzeichnung auf dem Speisenplan geregelt. Die Allergene auf dem Speiseplan können entweder ausgeschrieben oder mit Hilfe von Buchstaben bzw. Zahlen codiert werden. Um dies leisten zu können, müssen vorab die Zutatenlisten der verwendeten Produkte und die Rezepte der Gerichte auf vorhandene Allergene vollständig geprüft werden.
Eine verlässliche Küchenhygiene gehört dazu
Aufgrund der zum Teil schweren Symptomatiken müssen sich Allergiker auf die korrekte Umsetzung der LMIV verlassen. Dazu gehört neben der exakten Kennzeichnung eine verlässliche Küchenhygiene – zum Beispiel die Verarbeitung und Lagerung der Lebensmittel bzw. fertigen Speisen. Sind Schalenfrüchte in einem Gericht nicht gekennzeichnet, weil es diese nicht als Zutat enthält, sollte das auch im Herstellungs- und Lagerungsprozess so bleiben. Unbeabsichtigte Kontaminationen sind die größte Gefahrenquelle für den Allergiker in der Gemeinschaftsverpflegung. Deswegen sollten allergenfreie Gerichte meist zeitlich und räumlich getrennt von allergenhaltigen Lebensmitteln zubereitet werden.
Der Spurenhinweis
Um sich vor Reaktionen nach unbeabsichtigten Allergeneinträgen abzusichern, versehen viele Lebensmittelhersteller und Anbieter in der Gemeinschaftsverpflegung ihre Produkte und Gerichte mit dem so genannten Spurenhinweis. Der Satz: „Kann Spuren von … enthalten.“ ist auf zahlreichen Gerichten und Menüs in der Gemeinschaftsverpflegung zu finden. Die Frage ist, ob dies wirklich zielführend ist?
Für den Allergiker nicht hilfreich
Der Spurenhinweis ist gesetzlich nicht geregelt. Nur bei der glutenfreien Ernährung gibt es einen Messwert, ab wann ein Produkt als glutenfrei bezeichnet werden darf. Dieser wird regelmäßig lt. dem CODEX ALIMENTARIUS überprüft. Aber ob und welche Menge an Allergen in einem Gericht / Produkt vorhanden sein kann, dafür gibt es weder einen Messwert, noch eine Überprüfung. Ein Spurenhinweis, der als Vorsichtsmaßnahme auf jedem Gericht steht, ist für den Allergiker nutzlos. Denn er besagt nur, dass in der Küche Allergene grundsätzlich verarbeitet werden. Dessen sind sich Allergiker, die in einer Gemeinschaftsverpflegung essen, jedoch bewusst.
Was Allergiker in der Gemeinschaftsverpflegung benötigen
Die Bewirtung von Allergikern in der Gemeinschaftsverpflegung benötigt ein fundiertes Wissen über die Nahrungsmittelallergie von allen Beteiligten. Als erstes natürlich Eigenverantwortung vom Allergiker selbst: für jede Allergie gibt es Risikoprodukte, die Betroffene bei einem Essen Außer-Haus nicht wählen sollten. Außerdem ist bei jedem Essen die Notfallmedikation mitzuführen.
Von den Essenanbietern wird neben einem korrekten Wissen über Allergien in der Gemeinschaftsverpflegung, die lückenlose Allergendeklaration und ein verlässliches Küchenmanagement benötigt. Nicht zu vergessen ist natürlich eine gute Kommunikation zwischen dem Allergiker und einem Ansprechpartner in der Gemeinschaftsverpflegung. So sollte dem Essen in der Gemeinschaft trotz Nahrungsmittelallergien nichts mehr im Wege stehen.
Über die Autorin
Dr. Yvonne Braun ist Oecotrophologin und hat im Bereich der Nahrungsmittelallergien promoviert. Als zertifizierte Ernährungsberaterin der DGE und des DAAB berät sie in ihrer online Praxis Menschen mit Lebensmittelallergien oder -unverträglichkeiten. Auch privat dreht sich bei ihr alles um Allergien: neben diversen Inhalationsallergien hat eine ihrer Töchter eine schwere Nussallergie. Daher stehen für sie die Lebensqualität und Rechte von Allergikern im Mittelpunkt ihrer Arbeit.
Quellenangaben:
1. Klimek et al.: Weißbuch Allergie in Deutschland; Springer Medizin; 4. überarbeitete Auflage
2. Anzahl an Erwachsenen in Deutschland (2021) abgerufen auf statista.com am 09.01.2023
3. Worm et al.: Leitlinie zum Management IgE-vermittelter Lebensmittelallergien
4. Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV) Verordnung (EU) Nr. 1169/2011
5. CODEX ALIMENTARIUS International Food Standards: 118-1979
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