Wandel als Geschenk

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Wie Veränderung durch kluge Inszenierung zum begehrten Gut wird: Ein Gastartikel von Balázs Tarsoly.

Im 18. Jahrhundert stand Friedrich der Große vor einem kuriosen Problem: Er wollte die Kartoffel als Grundnahrungsmittel in Preußen einführen – doch die Bevölkerung misstraute der fremden Knolle. Bauern zogen es vor, weiterhin Getreide anzubauen, das sie kannten und schätzten. Friedrich ließ daher Kartoffelfelder anlegen und die „Knollenfrüchte für die königliche Tafel“ von Soldaten bewachen. Dieses Framing schuf Begehrlichkeit: Nachts stahlen Bauern die Kartoffelsaat, bauten sie an und akzeptierten sie schließlich – aus eigenem Antrieb.

Wer heute in der Gemeinschaftsverpflegung nachhaltige Veränderungen anstoßen will, weiß: Die Hindernisse liegen nicht nur bei den Gästen – in ihren Gewohnheiten, Vorlieben oder Vorurteilen.

Sie liegen oft auch intern: in der Geschäftsführung, in der Küchenleitung, im Team oder bei Partnerbetrieben. Wandel erfordert nicht nur die Verführung der Gäste zur nachhaltigen Wahl, sondern auch Fingerspitzengefühl in der internen Kommunikation von Zielen.

Planetary Health Diet mit Veränderung in der Gastronomie und GV
Nachhaltigkeit in der Gastronomie: So setzt du Veränderungen erfolgreich um. Ein Beitrag von Sarah (Bild: Sarah Schocke)

Stille Hebel für interne Veränderung

Du willst mehr Nachhaltigkeit, aber deine Entscheider*innen schalten beim Thema direkt ab? Folgende Einsichten und Strategien können Nachhaltigkeit möglich machen – auch wenn sie niemand will:

Autonomie

Menschen reagieren mit Ablehnung, wenn sie sich gedrängt oder bevormundet fühlen. Wenn sie die Wahl haben, akzeptieren sie Veränderung leichter, sogar bereitwillig. Führe mit Fragen und biete kleine Auswahlmöglichkeiten zwischen zwei nachhaltigen Optionen an: „Wir könnten A oder B – was passt besser zu Ihnen?“

Eigeninteresse

Nachhaltigkeit verkauft sich schlecht als ethische Pflicht – aber wie geschnitten Brot als ökonomisch kluge Entscheidung. Je konkreter der Nutzen, desto eher überzeugt sie: „Durch pflanzliche Küche sparen Sie pro Gericht 40 Cent.“

Image

Entscheider*innen wollen gut dastehen – bei Gästen, im Team oder in der Branche. Nachhaltigkeit kann ein Mittel sein, um „hip“, „smart“ oder „wegweisend“ zu wirken – frei von moralischer Belehrung: „Wenn Sie das anbieten, sind Sie die Ersten in Ihrer Region.“

Komfort

Nachhaltigkeit ist für Entscheider*innen attraktiv, wenn sie pragmatisch und einfach umzusetzen ist. Niemand will komplizierte Prozesse oder Diskussionen mit Gästen oder Team. Wenn Nachhaltigkeit weniger Aufwand, Risiko oder Abstimmungsbedarf bedeutet, steigt die Akzeptanz: „Wenn wir nachhaltige Gerichte als Standards etablieren und die Auswahl reduzieren, vereinfachen wir die Planung, verkürzen Wartezeiten und reduzieren die Lebensmittelverschwendung.“

Spiegelung

Entscheider*innen wollen sich selbst wiedererkennen – in Werten, Sprache, Design. Wenn sich ein Konzept „richtig“ anfühlt, steigt das Vertrauen. Für den Business-Typen bedeutet Nachhaltigkeit Wettbewerbsvorteil und Effizienzsteigerung, für die bodenständige Traditionswirt*in manifestiert sie sich in handwerklicher Qualität und regionaler Verbundenheit.

Sprachverschiebung

Begriffe wie „klimafreundlich“ oder „Tierleid“ können bei Entscheider*innen inneren Widerstand auslösen. Sprich ihre Sprache – wirtschaftlich, kreativ, emotional: Statt „Wir machen ein bio-veganes Menü“ lieber „Wir schaffen ein modernes Angebot mit Fokus auf Leichtigkeit und Marge.“

Alle wollen: glückliche Gäste

Letztlich schauen wir aber durch die Geschäftsführung hindurch zum Gast – denn was der Gast will, wird auch dem Gastgeber schmecken. In einer Investorenrunde oder im Kreis der Geschäftsführung lässt sich schlecht sagen: „Sie sollten mehr Verantwortung übernehmen.“

Aber es lässt sich sehr wohl sagen: Immer mehr Gäste fordern Nachhaltigkeit – und auch die Politik wird zunehmend Rahmenbedingungen schaffen, die ein Weitermachen wie bisher kostspieliger machen.

Nachhaltigkeit ist nicht mehr Kür – sie ist längst Wunschprogramm. Und für die Gastronomie ein Erfolgsrezept.

Veränderung in der Gastro und Gemeinschaftsverpflegung


Noch mehr aktuelles Wissen und inspiriernde How-To-Ansätze für mehr Nachhaltigkeit in der Gastronomie gibt es ausführlich auf 304 Seiten im Fach- und Sachbuch „Zukunftsküche. Nachhaltigkeit als Erfolgsrezept für die Gastronomie“ von Balázs Tarsoly. Erschienen im Deutschen Fachverlag 2025 und hier erhältlich.

Lese-Empfehlung der essen&ernähren-Redaktion

„Wollen Sie ihr Gericht normal oder so wie früher?“ „Normal“ meint in diesem Falle pflanzlich und zeigt, wie sehr Sprache unsere Essgewohnheiten prägt. Unser Ernährungssystem wandelt sich – rasant, tiefgreifend, unausweichlich. In der Gastronomie geht es längst nicht mehr nur ums Ob, sondern ums Wie: pflanzenbasierte Gerichte, verändertes Essverhalten, knappe Budgets, neue Gästewünsche.

Balázs Tarsoly liefert mit seinem neuen Kompendium einen praktischen, inspirierenden Fahrplan für alle, die Transformation in der Gastronomie aktiv mitgestalten wollen. Er hat mit führenden Persönlichkeiten aus der Branche gesprochen, deren Erfahrungen dem Buch zusätzliche Tiefe und Relevanz verleihen.

Eine klare Empfehlung für alle, die Nachhaltigkeit nicht nur denken, sondern leben wollen – mit Genuss, Wirkung und Weitblick.

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Balázs Tarsoly ist Restaurantmarken-Experte, Gründer der Agentur Branding Cuisine und Autor des im März 2025 erschienenen Buches „Zukunftsküche – Nachhaltigkeit als Erfolgsrezept für die Gastronomie“. Seit fast 20 Jahren ist Balázs in der Markenentwicklung im Bereich der Systemgastronomie tätig. Mit seinem preisgekrönten Gespür für Design und Markenkommunikation begleitet er Gastronom*innen dabei, zukunftsfähige Konzepte zu entwickeln. „Als Kreativer sehe ich mich in der Verantwortung, mein Designerdenken und Verständnis für Food, Branding und Nachhaltigkeit einzusetzen, um den Wandel hin zu einer enkeltauglichen Ernährungswirtschaft mitzugestalten und voranzutreiben,“ so der Autor.

Quellenangabe:
Balázs Tarsoly/brandingcuisine.com
Titelbild:
erstellt mit DALL·E, einem KI-Bildgenerator von OpenAI


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