Die Bedeutung des Nutri-Score – und welche Kritik es gibt
Bei einer roten Ampel bleiben wir stehen. Springt sie auf grün, fahren oder gehen wir los. Mit ähnlichen Ampelfarben arbeitet auch der Nutri-Score. Die freiwillige Nährwertkennzeichnung gibt es seit Ende 2020. Sie basiert auf einer fünfstufigen Farbskala, die von dunkelgrün bis dunkelrot reicht. Doch welche Bedeutung hat der Nutri-Score? Er hilft Verbrauchern, auf einen Blick verschiedene Produkte einer Produktgruppe bezüglich der Nährwerte zu vergleichen. Es gibt aber auch Kritik an der Nährwertkennzeichnung.
Ausgewogene und gesunde Ernährung
Mit den 10 Regeln der DGE gibt uns die Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. praktische Empfehlungen an die Hand, wie wir vollwertig essen und trinken können. Doch wie sieht es in der Praxis aus?
Aktuelle Daten zeigen, dass wir hierzulande zu viel Zucker, zu viel Fleisch und zu wenig pflanzliche Lebensmittel essen:
- Im Jahr 2019/2020 hat jeder von uns durchschnittlich 93 g Zucker (pur und verarbeitet) zu sich genommen. Die DGE empfiehlt maximal 50 g Zucker pro Tag.
- Pro Jahr essen wir durchschnittlich pro Woche 1,1 kg Fleisch (pro Jahr 57,3 kg). Die Empfehlung der DGE liegt bei maximal 600 g pro Woche.
- Hierzulande erreichen 59 Prozent der Menschen nicht die DGE-Empfehlungen für 250 g Obst pro Tag.
- Die Empfehlungen für Gemüse von 400 g pro Tag setzen 87,4 Prozent der Menschen nicht um.
Diese Art der Ernährung bleibt nicht ohne Folgen. Hierzulande sind 53 Prozent der Frauen und 67 Prozent der Männer übergewichtig (BMI über 25 kg/m2). Auch das Risiko für ernährungsbedingte Krankheiten wie Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes mellitus Typ 2 und Schlaganfall steigt.
Die Bedeutung des Nutri-Score
Der Nutri-Score kann eine ausgewogenere und gesündere Ernährung einfacher machen. Denn er erleichtert uns beim Einkaufen zu erkennen, wo Zucker- und Fettfallen lauern. Der Nutri-Score zeigt eine fünfstufige Farbskala – von dunkelgrün (A) bis dunkelrot (E). Anhand derer können wir erkennen, welchen Nährwert ein Produkt im Vergleich zu anderen vergleichbaren Produkten hat. Ein Produkt mit einem grünen A trägt eher zu einer gesunden Ernährung bei als eines mit einem roten E.
Wichtig beim Nutri-Score ist, dass wir Lebensmittel aus der gleichen Produktgruppe vergleichen, beispielsweise Pizza mit Pizza, und nicht Pizza mit Schokoriegel.
- Trägt die eine Pizza ein gelbes C und die andere ein rotes E, wissen wir, dass die Pizza mit dem C günstigere Nährwerte aufweist.
- Das bedeutet aber nicht, dass das Lebensmittel insgesamt gesund ist. Darüber macht der Nutri-Score keine Aussagen. Wenn wir uns ausschließlich von Lebensmitteln aus der Kategorie A ernähren, entspricht das nicht automatisch einer ausgewogenen Ernährung.
So berechnet sich die Nährwertkennzeichnung
Der Nutri-Score bezieht sich immer auf 100 g bzw. 100 ml eines Lebensmittels. Welche Farbe es bekommt, hängt von dem Energiegehalt sowie der Zusammensetzung der Nährstoffe zusammen.
- Als günstig bewertet werden: Gehalte an Ballaststoffe und Eiweiß, aber auch der Gehalt an bestimmten Lebensmitteln, die im Produkt stecken. Dazu zählen Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Nüsse und ausgewählte Speiseöle.
- Negativ zu Buche schlagen: Der Energiegehalt und der Gehalt an gesättigten Fettsäuren sowie Salz und Zucker.
Beides wird gegeneinander verrechnet. Je niedriger die Gesamtpunktzahl ist, desto höher ist die Gesamtbewertung – hin zum grünen A.
Übrigens: Die Nährwertkennzeichnung ist freiwillig. Wenn sich Lebensmittelunternehmen dafür entscheiden, müssen sie sich beim zuständigen Markeninhaber, der Santé puplique France, registrieren.
Wie kommt der Score an? Antworten darauf gibt der Ernährungsreport 2021. Demnach haben 44 Prozent der Befragten den Nutri-Score auf der Verpackung wahrgenommen. Ein Drittel davon haben Produkte anhand der Nährstoffkennzeichnung miteinander verglichen. 45 Prozent dieser Menschen gaben an, dass der Nutri-Score schon einmal die Kaufentscheidung beeinflusst hat. |
Welche Kritik gibt es am Nutri-Score?
- Die Kennzeichnung ist bisher freiwillig. Einige Hersteller drucken den Nutri-Score ab, andere nicht. Das macht es schwieriger, flächendeckend Produkte zu vergleichen.
- Es fließen nicht alle Nährstoffe in die Bewertung ein, etwa Vitamine, Mineralstoffe und ungesättigte Fettsäuren.
- Der Nährwertkennzeichnung wird einigen unverarbeiteten Lebensmitteln nicht gerecht. Olivenöl bekommt beispielsweise aufgrund seines hohen Fettgehalts eine schlechte Bewertung. Dass in Olivenöl aber viele für die Gesundheit wertvolle ungesättigte Fettsäuren enthalten sind, wird nicht berücksichtigt.
- Auch Zusatzstoffe wie Geschmackverstärker, Süßstoffe oder Aromen fließen nicht in die Bewertung mit ein. Lebensmittelhersteller könnten die Bewertung der Produkte verfälschen. Um den Fettanteil zu verringern setzen sie beispielsweise mehr Zusatzstoffe ein. Auch vielen Bio-Produkten, bei denen der Einsatz von Zusatzstoffen stark begrenzt ist, wird der Score nicht gerecht. Ein Bio-Apfelsaft kann dann schon mal ein gelbes C tragen, die Coca Cola Zero ein grünes A tragen.
Fazit:
Der Nutri-Score kann einen Beitrag dazu leisten, sich ausgewogener und gesünder zu ernähren. Denn die Farbkennzeichnung lässt uns auf einen Blick erkennen, ob wir lieber zu Produkt A oder B greifen sollten. Doch die Nährwertkennzeichnung hat auch seine Tücken. Nur wenn die Menschen die Bedeutung des Nutri-Score kennen, können sie ihn richtig anwenden. Sie müssen wissen, dass er dem Vergleich von zwei ähnlichen Produkten dient. Andernfalls besteht das Risiko, dass sie ein Produkt mit einem grünen A per sé als gesund einstufen. Die Nährstoffkennzeichnung sagt aber nicht aus, wie gesund ein Lebensmittel insgesamt ist.
Quellenangabe:
Bild: modesto3/Depositphotos